Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 11, 05/2020

Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 11, 05/2020

Büro für Freizeitrecht
Wolfgang Stock

Newsletter-Inhalt

  1. Kulturveranstaltungsrecht und das Problem der Zahl
  2. Welterbe-Tourismus und Corona-Pandemie
  3. KuKuSpoSiG
  4. Museumsbegriff am Beispiel „KTM Motohall" in Mattighofen
  5. Fehlende Legaldefinitionen im Kulturrecht

 

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1.

Kulturveranstaltungsrecht und das Problem der Zahl

 

In der COVID-19-Rechtslage wird demnächst einiges in Bewegung kommen: Ab 29. Mai sollen Indoor- und Outdoor-Veranstaltungen für bis zu 100 Personen möglich werden, ab 1. Juli 250 und ab 1. August 500. Nun vermutet man in der Rechtsordnung ja bei jedem Satz – und fast schon bei jedem Wort – Auslegungsschwierigkeiten und das Bonmot, wo 3 Jurist*innen zusammenkommen, da gibt es 4 Rechtsmeinungen, scheint überall zu gelten. Offenbar nur nicht bei den Zahlen, denn 100 ist 100 und bleibt 100, da gibt es nichts zu rütteln. Oder?

 

Leider doch! Freilich ist „100" mathematisch klar festgelegt, aber die Frage, die sich in der Praxis des Kulturbetriebs stellen wird: Welche Personen sind gemeint? Personen insgesamt? Oder Teilnehmer*Innen? Alle aktiven Teilnehmer*innen? Nur Zuschauer*innen? Oder Zuschauer*innen und Darbieter*innen? Mit oder ohne technisches Personal? Mit oder ohne Ordnerdienst? Ohne Vorab-Klärung dieser Fragen wird sich die Rechtsunsicherheit auf die jeweilige Situation vor Ort verlagern. Eigentlich etwas, das sich niemand wünschen kann.

 

Die derzeit aktuellen, auch kulturellen Freizeitmöglichkeiten sind hier zu finden:

https://bit.ly/3bATYih

 

Aktualisierungen Anfang Juni und Anfang Juli sind in Vorbereitung.

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2.

Welterbe-Tourismus und Corona-Pandemie

 

Der weltweite Kulturtourismus ist aktuell fast vollständig zum Erliegen gekommen. 80% der Mitgliedstaaten haben ihre UNESCO-Welterbestätten ganz oder teilweise geschlossen. In 128 Ländern sind sämtliche Kultureinrichtungen nicht zugänglich. (Quelle: Pressemitteilung der Deutschen UNESCO-Kommission vom 30.04.2020)

 

Angesichts der jüngsten globalen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie wurde die 44. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. (Sie sollte ursprünglich vom 29. Juni bis 9. Juli 2020 in Fuzhou, China, stattfinden.)

 

Die Situation der österreichischen Welterbestätten ist derzeit folgende: Es gibt zehn Welterbestätten. Drei sind Kulturlandschaften (Neusiedlersee, Hallstatt–Dachstein, Wachau), drei Stadtlandschaften (Altstädte Salzburg, Graz, Wien), zwei ein Bauwerk (Bau-/Gartenbaudenkmal Schönbrunn und technisches Denkmal Semmeringbahn), und eines eine archäologische Stätte (Pfahlbauten um die Alpen). Rein rechtlich können derzeit alle Welterbestätten besucht werden. Unproblematisch ist dies bereits seit 1. Mai bei den Kultur- und Stadtlandschaften sowie bei der Semmeringbahn. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort – als Eigentümervertreter der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. – hat ab 15. Mai 2020 wieder alle Standorte geöffnet. Probleme gibt es nur beim Schloss Eggenberg, das zur Welterbestätte von Graz zählt. Zwar öffnet der Eggenberger Schlosspark mit 18. Mai 2020, das Schloss selbst allerdings erst ab 1. Juli 2020. Dabei handelt es sich um eine rein unternehmerische Entscheidung des Trägers, des Universalmuseums Joanneum. Und auch das Österreichische Pfahlbau-Museum Mondsee wird erst am 29. Mai 2020 öffnen.

 

Allgemeines und Rechtsgrundlagen zum österreichischen Weltkulturerbe:

https://bit.ly/2ZaMnUR

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3.

KukuSpoSiG

 

Das ist ein neues, seit 6. Mai 2020 geltendes Gesetz, nämlich das Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG), BGBl I 2020/40. Es sieht die Möglichkeit vor, sich durch die Ausgabe eines Gutscheins vorübergehend von der Rückzahlungspflicht zu befreien.

Der Kern des neuen Gesetzes ist somit die Übergabe eines Gutscheins anstelle der Entgeltrückzahlung: Wenn ein Kunst-, Kultur- oder Sportereignis aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 entfallen ist und der Veranstalter deshalb einem Besucher oder Teilnehmer den Eintritts- oder Teilnahmepreis oder ein vergleichbares Entgelt zurückzuzahlen hat, kann der Veranstalter dem Besucher oder Teilnehmer anstelle der Rückzahlung einen Gutschein über den zu erstattenden Betrag übergeben. Gleiches gilt im Fall der Rückzahlungspflicht des Betreibers einer Kunst- oder Kultureinrichtung, wenn diese aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 geschlossen wurde (§ 1 Abs 1 KuKuSpoSiG). Für Dauerkarten kommt § 1 Abs 6 KuKuSpoSiG zur Anwendung: War das entfallene Kunst-, Kultur- oder Sportereignis Gegenstand eines wiederkehrenden Abonnements, so kann der Besucher oder Teilnehmer anstelle eines Gutscheins verlangen, dass das zurückzuzahlende Entgelt auf die Zahlung für ein folgendes Abonnement angerechnet wird.

 

Dem Bericht des Justizausschusses (142 BlgNR XXVII. GP) kann man die Definitionen entnehmen: Der Begriff des Kunst- oder Kulturereignisses umfasst etwa Konzertveranstaltungen, Opernaufführungen, Theateraufführungen, Filmvorführungen oder Performances. Mit der ergänzenden Regelung über die Schließung von Kunst- oder Kultureinrichtungen wird beispielsweise der Besuch von Museen oder Kulturdenkmälern erfasst. Die Gutscheinlösung gilt nicht, wenn Veranstalter des Kunst-, Kultur- oder Sportereignisses oder Betreiber der Kunst- oder Kultureinrichtung entweder der Bund, ein Land oder eine Gemeinde oder aber ein Rechtsträger ist, der entweder zumindest mehrheitlich im Eigentum des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde steht oder für den der Bund, ein Land oder eine Gemeinde haftet oder den Abgang trägt (§ 1 Abs 7 KuKuSpoSiG).

 

Das Gesetz enthält detaillierte Regeln für die Abwicklung der Gutscheinlösung (Wertgrenzen, Übertragbarkeit, Einlösung, Kostenfreiheit, abweichende Vereinbarungen).

 

Hier das ganze Gesetz:

https://bit.ly/3e5zFez

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4.

Museumsbegriff am Beispiel „KTM Motohall" in Mattighofen

 

Die Kulturförderungen für die KTM Motohall in Mattighofen (Bezirk Braunau) sind laut einem Gutachten der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Peter Thyri im Auftrag der Kulturplattform Oberösterreich (KUPF) nach EU-Wettbewerbsrecht rechtswidrig. Es ging dabei um eine Subventionszusage von insgesamt 4,5 Millionen Euro durch die Oberösterreichische Landesregierung. 1,8 Millionen Euro davon stammen aus dem Kulturbudget – zwei Tranchen zu je 600.000 Euro wurden bereits beschlossen. Für den Gutachter ist auch fraglich, ob es sich bei dem Projekt um ein Museum handelt, für das Förderungen zulässig wären. In bisher von der EU-Kommission behandelten Fällen habe es sich immer um Museen „im klassischen Sinn" gehandelt und nicht um Einrichtungen, die allein der Präsentation der Produkte eines einzigen Unternehmens dienten.

 

Dazu Roman Sandgruber, Präsident des Museumsverbundes in Österreich: Als Museum könne man die KTM-Motohall in keiner Hinsicht bezeichnen, auch als Firmenmuseum nicht, da jedwede historische Einbettung und Zusammenhänge zu technischen Entwicklungen abseits der Marke KTM fehlen. Anders als in den von BMW oder Mercedes betriebenen Museen und anders als im Konzept 2015 avisiert. „Museum ist für mich Vielfalt, das hier ist Einfalt", lautet sein Urteil.

 

Der Landesrechnungshof äußerte sich in seinem Prüfbericht vom 29. April 2020 zum Thema „Museumsbegrif" wie folgt: Er kommt zum Schluss, dass die Motohall zwar nicht als Regionalmuseum oder Industriemuseum gesehen werden kann, aber doch ein "Firmenmuseum" sei. Gleichzeitig bewertet der LRH aber zentrale Aspekte der Motohall negativ: „Eine Einordnung in einen übergeordneten technik- und industriegeschichtlichen Rahmen bzw. eine Auseinandersetzung mit kritischen Rahmenthemen fehlen weitgehend. Das Organigramm zeigt auf, dass der Schwerpunkt der Tätigkeiten im Museum auf der Besucherbetreuung und der Vermittlung sowie auf Marketing und Kommunikation liegen. Die übrigen grundständigen Museumstätigkeiten sind dahingegen unterrepräsentiert." Der Rechnungshof kommt zu folgender Ansicht: Die KTM Motohall in Mattighofen (Bezirk Braunau) sei grundsätzlich förderungswürdig, aber der Betrag, den Land Oberösterreich und Stadt Mattighofen bezahlt haben sei „sehr hoch" gewesen. Abschließend empfahl der Landesrechnungshof dem Landtag eine Folgeprüfung zu beschließen.

 

Hier der Bericht über diese Landesrechnungshof-Sonderprüfung:

https://bit.ly/2zJW0iG

 

Mein Fazit: eine gesetzliche Festlegung des Begriffes „Museum" ist längst überfällig. Das gilt auch für andere Begriffe im Kulturrecht. Siehe nächster Punkt
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5.

Fehlende Legaldefinitionen im Kulturrecht

 

Die COVID-19-Rechtssetzung lieferte uns ein „schönes" Anschauungsbeispiel für die Problematik: In der Erstfassung der COVID-19-Lockerungsverordnung gab es folgende Doppelnennungen:

-          „Theater" (§ 9 Abs 2 Z 8) / „kulturelle Veranstaltungen" (§ 10 Abs 2)

-          „Kinos" (§ 9 Abs 2 Z 8) / „Filmvorführungen" (§ 10 Abs 2)

-          -„Ausstellungen" (§ 9 Abs 1 Z 1) / „Ausstellungen" (§ 10 Abs 2)


Besonders ins Auge stechend war dabei die Doppelnennung des Begriffes „Ausstellungen". Ausstellungen wären nach dem Wortlaut der Verordnung gleichzeitig verboten und erlaubt gewesen! Einfach deshalb, weil sich niemand Gedanken darüber gemacht hatte, was die Begriffe bedeuten.

 

Vor dem nächsten Lockdown wäre also eine gesetzliche Klarstellung eine dringliche Aufgabe. Das würde auch für Brauchtumsveranstaltungen und kulturhistorische Sehenswürdigkeiten gelten.

 

Näheres dazu hier:

https://bit.ly/2Zc7TbO

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Mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock
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Dr. Wolfgang Stock, Am Sonnenhang 35, 8072 Fernitz-Mellach


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