Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 7, 12/2017

Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 7, 12/2017

1. Italienischer Konsumentenschutzverband Codacons gegen Vatikanische Museen
2. Landesverwaltungsgericht zu den Begriffen „Kapelle“ und Bildstock“
3. Neues Buch zum Denkmalschutzrecht
4. Neues Buch zum Veranstaltungsrecht in der Schweiz, Deutschland und Österreich
5. Gesichtsverhüllung und Brauchtumsausübung
6. Baukulturelle Leitlinien des Bundes beschlossen


Italienischer Konsumentenschutzverband Codacons gegenVatikanische Museen

Italienische Medien berichteten im Oktober 2017, dass sich immer mehr Touristen über den unerträglichen Andrang auf den engen Treppen, die zur Sixtinischen Kapelle führen, beschwerten. Der Konsumentenschutzverband Codacons (Coordinamento delle associazioni per la difesa dell’ambiente e dei diritti degli utenti e dei consumatori) thematisierte dies und verwies in diesem Zusammenhang auf die italienische Gesetzgebung, nach der sich in geschlossenen Räumen nicht mehr als 1,2 Personen pro Quadratmeter aufhalten dürfen.

Aber wie ist das in Österreich? (Österreichische) Antwort: länderweise unterschiedlich; zwei Beispiele: Gemäß § 86 Abs 1 des Wiener Veranstaltungsstättengesetzes (LGBl 1978/04) muss die begehbare Fläche einer Ausstellungsanlage so groß sein, dass auf jeden der in dieser jeweils anwesenden Besucher stets eine begehbare Fläche von mindestens 0,5 Quadratmeter entfällt; daher darf der Fassungsraum in keinem Fall größer sein, als das Doppelte der in Quadratmetern gemessenen begehbaren Fläche.

§ 86 Abs 2 bestimmt für den Fall eines großen Andranges von Besuchern in einer Ausstellungsanlage und einer drohenden Überschreitung des Fassungsraumes, dass der Besucherverkehr während der Zeit eines solchen Andranges zu regeln und der Einlass nach Bedarf zeitweilig einzustellen ist. § 2 Z 1 der OÖ Veranstaltungssicherheitsverordnung (VSVO), LGBL 2008/25 idF LGBl 2014/10, legt für Veranstaltungen allgemein fest, dass in den Steh- und Sitzplatzbereichen eine Personendichte von 3 Personen pro Quadratmeter nicht überschritten werden darf.

Zivilrechtlich gesehen steht eine Verweigerung des Vertragsabschlusses aus Kapazitätsgründen jedem Rechtssubjekt frei. Es handelt sich dabei um einen sachlich gerechtfertigten Grund, der sogar einem Monopolunternehmen zusteht (OGH 31.01.2002, 6 Ob 48/01d; 13.10.2009, 1 Ob 125/09b).

Rechtlich zulässige Formen der Besucherlenkung im Kulturtourismus ist eines der Gebiete, mit denen ich mich im Rahmen des Kulturtourismusrechts beschäftige und wo ich auch schon publiziert habe.


Landesverwaltungsgericht zu den Begriffen „Kapelle“ und Bildstock“

Sakrale Kleindenkmäler sind im Bau- und Raumordnungsrecht oft privilegiert und dürfen auch im Freiland errichtet werden. Bisweilen betrifft das aber nur „Bildstöcke“, so auch in der Steiermark. Daher hatte sich das Landesverwaltungsgericht Steiermark in einer aktuellen Entscheidung (22.06.2017, LVwG 50.25-1258/2017) mit der Unterscheidung dieser beiden Begriffe zu befassen. Die umfangreiche Entscheidung umfasst 23 Seiten. Der Rechtssatz lautet: Im Freiland dürfen gemäß § 33 Abs 5 Z 6 Stmk ROG 2010 außerhalb der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung „Bildstöcke […] und dergleichen“ errichtet werden. Der Wortlaut dieser Bestimmung stellt nicht auf die baurechtliche Bewilligungsfreiheit ab und macht deutlich, dass der Gesetzgeber nicht sämtliche kleineren Sakralbauten begünstigen wollte. Eine Kapelle mit einer Fläche von 12 m2 ist weder in ihrer Dimension noch in ihrer Funktion mit einem Bildstock vergleichbar, weil das Betreten eines Bildstocks im Gegensatz zum Betreten einer Kapelle nicht das Halten einer Andacht, sondern nur die Vornahme von Dekorationen und allfällige Hinterlegung von Votivgaben bezweckt.

Das Gericht thematisiert auch die „Übergangsvariante“ der Kapellenbildstöcke und konzediert, dass hier der Übergang fließend ist, zumal diese auch betreten werden könnten und eine ähnliche Dimensionierung aufweisen würden. Dennoch hielt das Gericht fest, dass der „Kapellenbildstock“ im Regelfall zwar eine Öffnung bzw. bis zum Erdboden reichende Nische aufweist und ein Betreten möglich macht; dies nach der Lebenserfahrung jedoch nicht, um darin eine Andacht zu halten.

Die Entscheidung im Volltext kann man hier nachlesen:

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Lvwg/LVWGT_ST_20170622_LVwG_50_25_1258_2017_00/LVWGT_ST_20170622_LVwG_50_25_1258_2017_00.pdf


Neues Buch zum Denkmalschutzrecht

Die Ermittlungsverfahren zur Unterschutzstellung von Denkmalen bedürfen Sachverständiger zur Erhebung der kulturellen Bedeutung dieser Gegenstände. Die Beiträge dieses Bandes – basierend auf den Vorträgen zum ersten Denkmalrechtstag 2016 – befassen sich aus rechtlicher wie aus sachverständiger Perspektive mit den Grundsätzen für die Auswahl der Sachverständigen, die Erstellung der Gutachten und die Begründung des öffentlichen Erhaltungsinteresses.

Die Daten zum Buch:

Wolfgang Wieshaider, Die Sachverständigen im Unterschutzstellungsverfahren nach dem DMSG, Facultas-Verlag 2017; 20,80 EUR; ISBN:978-3-7089-1475-6

Leseprobe und Bestellung hier:

https://www.facultas.at/zinfo/9783708914756/Leseprobe.pdf


Neues Buch zum Veranstaltungsrecht in der Schweiz, Deutschland und Österreich

Das voraussichtlich im März 2018 erscheinende Buch vermittelt einen breiten Überblick über die unterschiedlichen rechtlichen Gegebenheiten in den DACH-Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Organisation von Veranstaltungen. Konzipiert als Einstiegshilfe in die komplexe Materie fasst das Werk die wichtigsten Fakten zu rechtlichen Grundlagen zusammen und informiert über die konkrete Herangehensweise an das Thema im jeweiligen Land. Weiterführend gehen die Autoren auch auf Verbandsstrukturen, Branchenstandards und Ausbildungsberufe in den drei Ländern ein. Bei den Unterschieden wird bei allen Ländern auf die unterschiedliche Definition von Veranstaltungsarten und Veranstaltungsorten sowie auf Unterschiede im Genehmigungsverfahren eingegangen.

Die Daten zum Buch: Tilman Albrecht/ Markus Güdel/ Kerstin Klode/ Klaus Ch. Vögl, Veranstaltungsrecht in Deutschland - Österreich – Schweiz, Beuth-Verlag, Berlin 2018, 380 Seiten, 55,60 EUR inkl. MwSt.; ISBN: 978-3-410-27190-1

Der Kontakt zum Verlag ist hier möglich:

https://www.beuth.de/de/publikation/veranstaltungsrecht-in-deutschland-oesterreich-schweiz/265563182


Gesichtsverhüllung und Brauchtumsausübung

Das am 1. Oktober 2017 in Kraft getretene Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz (BGBl I 2017/68) kennt folgenden Straftatbestand: Wer an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 150 Euro zu bestrafen.

Es besteht aber u.a. eine Ausnahme für Brauchtumsveranstaltungen: Ein Verstoß gegen das Verhüllungsverbot liegt nicht vor, wenn die Verhüllung oder Verbergung der Gesichtszüge im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen erfolgt.

Hier die gesamte Straf- und Ausnahmebestimmung (§ 2 AGesVG):

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40193539/NOR40193539.html

Fraglich war, ob z.B. Halloween-Veranstaltungen als „traditionelle“ gelten. Das Innenministerium bejahte das offenbar: Verkleidungen im Rahmen der jährlichen Halloween-Veranstaltungen fallen nicht unter das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz:

http://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=4D794D417A3630647947773D

Wer sich für sonstige Ausnahmen für Brauchtumsveranstaltungen interessiert, sei auf einen Beitrag von mir zum Brauchtumstourismus im Jahrbuch Tourismusrecht 2017, S 89-97, hingewiesen. Nur ein paar Beispiele für Ausnahmebestimmungen: Veranstaltungsrecht, UrhG, Bestattungsgesetze, Brauchtumsfeuer-Verordnungen, Artenschutzverordnungen.

Bestellung hier:

http://www.nwv.at/recht/zivilrecht/1299_tourismusrecht_jahrbuch_2017/


Baukulturelle Leitlinien des Bundes beschlossen

Am 22.08.2017 wurden die Baukulturellen Leitlinien des Bundes einstimmig vom Ministerrat beschlossen. Die Leitlinien sind das Ergebnis eines umfassenden Diskussionsprozesses, an dem sich rund 150 Expertinnen und Experten aus verschiedensten Fachbereichen sowie Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden beteiligt haben. (Juristisch gesehen handelt es sich dabei um eine freiwillige Selbstbindung des Bundes.) Da die gegenwärtige Baukultur das kulturelle Erbe von morgen schafft, ist sie auch für den Kulturtourismus von großer Bedeutung.

Hier die Leitlinien im Volltext:

http://www.kunstkultur.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=66963


Anregungen für den nächsten Kulturtourismusrecht-Newsletter nehme ich gerne entgegen.

Mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock

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