Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 2, 12/2015

Kulturtourismusrecht-Newsletter Nr. 2, 12/2015

1. Basisinformation Besichtigungsrecht: Sicherungspflichten für eine historische Brunnenanlage (hier: Stift Melk)
2. OGH zu Verletzungen von Besuchern
3. LVwG Tirol: Besichtigung einer Sehenswürdigkeit ist keine Veranstaltung
4. Kolumne zu Rechtsproblemen bei Krampusläufen
5. Kulturerbe-Siegel für Wiener Hofburg
6. Kommentar zum Denkmalschutzgesetz in zweiter Auflage erschienen
 

Basisinformation Besichtigungsrecht: Sicherungspflichten für eine historische Brunnenanlage (hier: Stift Melk)
 
In einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 hielt der OGH die Sicherungspflichten für historische Brunnenanlagen fest. Dabei ging es um einen Unfall einer fotografierenden Touristin bei einer Brunnenanlage des Stiftes Melk mit folgenden Daten: Brunnen in der Mitte eines Weges,  Brunneneinfassung: 20 bis 35 cm hoch; Tiefe des Brunnenbeckens: 150 bis 160 cm.
 
Am Tag des Unfalls wurden Arbeiten am Brunnen durchgeführt. Die Arbeiter entfernten die zunächst vorhandene Abdeckung des Brunnens, die aus schräg aufgelegten Bohlen bestand. Sie ließen den offenen Brunnen zurück, als sie essen gingen. Der Brunnen war durch keinerlei Vorkehrungen abgesichert. Es bestand weder eine Umzäunung des Brunnens noch eine Abschrankung zwischen dem Gehweg und dem Brunnen.
 
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Barockbrunnen bilde keine sicherungsbedürftige Gefahrenquelle. Besucher alter Gartenanlagen könnten oder müssten sogar mit derartigen Brunnenanlagen rechnen. Der Brunnen stelle schon für sich allein eine Sehenswürdigkeit dar. Sein Auffälligkeitswert wäre bei Betrieb des Springbrunnens kaum größer gewesen. Die Klägerin hätte beim Rückwärtsschreiten und Fotografieren besondere Vorsicht walten lassen und sich schon vorher über allfällige Hindernisse auf dem Weg informieren müssen. Zudem sei sie ja vor dem Unfall am Brunnen bereits vorbeigegangen. Sie habe für den durch ihre Nachlässigkeit entstandenen Schaden selbst einzustehen.
 
Das Berufungsgericht befand ebenfalls, dass eine Abschrankung des mitten am Weg liegenden Brunnens nicht erforderlich sei. Auch im Rathauspark in Wien befänden sich im Bereich der Gehwege zwei Brunnen mit vergleichbarer Einfassung, die in den Wintermonaten weder mit Wasser gefüllt noch abgedeckt oder abgeschrankt seien. Die von einem derartigen Brunnen ausgehende Gefahr werde von einem Verkehrsteilnehmer routinemäßig bewältigt. Damit, dass ein Besucher ohne zu schauen rückwärts gehen werde, habe die beklagte Partei nicht rechnen müssen. Der Unfall sei daher nur auf eine sehr erhebliche Unachtsamkeit der Klägerin zurückzuführen.
 
Der OGH entschied hingegen, dass das Stift Melk gegenüber der Touristin
dafür einzustehen habe, dass Arbeiter die Brunnenabdeckung, die den Sturz der Klägerin in das Brunnenbecken verhindert hätte, entfernt haben und das geöffnete, ungefüllte Becken ohne Aufsicht und ohne Absperrung oder sonstige Sicherungsmaßnahme zurückließen. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die Aufmerksamkeit von Personen innerhalb einer Personengruppe, die ein bestimmtes Ziel verfolgt, wie etwa eine Reisegruppe bei der Besichtigung einer Sehenswürdigkeit, gegenüber sich am Weg befindlichen Hindernissen aus verschiedenen Gründen abgelenkt ist  (z.B. durch die Suche nach guten Fotomotiven). Ein Mauerwerk, das nur 25 bis 35 cm über das sonstige Niveau eines befestigten Weges oder Platzes hinaus ragt, ist besonders dazu angetan, dass unachtsame Wegbenützer darüber stolpern. Dadurch, dass das relativ tiefe Brunnenbecken nicht mit Wasser gefüllt war, war vorherzusehen, dass ein Stolpern über den Brunnenrand und ein dadurch ausgelöster Sturz in das Brunnenbecken ein hohes Verletzungsrisiko in sich birgt. Vor allem im Hinblick auf die für derartige Springbrunnen ungewöhnliche Tiefe des Brunnenbeckens ging von ihm im leerstehenden Zustand eine besonders große Gefahr aus.
Weiters betonte der OGH, dass eine leerstehende und stillgelegte Brunnenanlage die Aufmerksamkeit von Passanten weit weniger auf sich zieht als ein mit Wasser gefüllter, in Betrieb befindlicher Springbrunnen, der nicht nur optisch ansprechender und auffälliger ist, sondern auch akustisch wahrzunehmen ist. Zudem wird die Gefährlichkeit eines Sturzes in ein Brunnenbecken wesentlich reduziert, wenn dieses mit Wasser gefüllt ist. Nicht zuletzt deshalb ist es auch durchaus üblich, selbst historische Brunnen, die über die Wintermonate stillgelegt sind, mit Platten abzudecken. Diese Vorgangsweise wurde ja auch im vorliegenden Fall eingehalten. Ein unzumutbarer Aufwand ist damit jedenfalls nicht verbunden. Ebenso wenig hätte es aber die als Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei anzusehenden Arbeiter überfordert, wenn sie nach dem Entfernen der Brunnenabdeckung Vorsichtsmaßnahmen gegen einen möglichen Sturz von Stiftsbesuchern in das leere Brunnenbecken getroffen hätten. Schon das Spannen farblich auffälliger Plastikbänder rund um den Brunnen mit Hilfe einiger Ständer oder das Aufstellen eines Schutzgitters hätte einem unvermittelten Stolpern eines Besuchers über den Brunnenrand vorbeugen können. Denkmalschützerische Erwägungen wären einer solchen auf die Dauer der am Brunnen durchzuführenden Arbeiten begrenzten Maßnahme wohl nicht im Wege gestanden.
 
Hier die Entscheidung im Volltext:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_19991021_OGH0002_0060OB00253_99W0000_000/JJT_19991021_OGH0002_0060OB00253_99W0000_000.html
 
 
OGH zu Verletzungen von Besuchern
 
Jeder Inhaber eines „Geschäftslokals“ (somit auch Museum, Ausstellungsraum, Besichtungsstätte usw.) muss das Geschäftslokal in gefahrlosem Zustand erhalten. Der OGH sieht in einemjüngst entschiedenen Supermarkt-Fall (22.10.2015, 10 Ob53/15i) den Bedarf an Kontrollen des Fußbodens auf Verunreinigungen im Einzelfall stets von verschiedensten Faktoren abhängig an.
 
Umgelegt auf Museen und Ausstellungsräume sind es diese Faktoren: die Besucherfrequenz, das von den Ausstellungsgegenständen ausgehende Gefahrenpotenzial, aber auch Umstände wie Witterung usw. Erhöhtem Gefahrenpotential wird durch erhöhte Sorgfaltspflichten (Kontroll- und Reinigungstätigkeiten) zu begegnen sein. Sicherungsmaßnahmen sind nämlich umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung ist. Die Einhaltung eines – den erforderlichen Schutz- und Sorgfaltspflichten entsprechenden – Kontrollsystems wird darüber hinaus wohl auch eine gewisse zeitliche Regelmäßigkeit voraussetzen. Die Gerichte nehmen im Zusammenhang mit Besucherunfällen also z.B. Einblick in Reinigungs- und Kontrollmaßnahmenaufzeichnungen und prüfen die tatsächliche Handhabung zum Unfalltag.
 
Daher meine dringende Empfehlung an Museen- und Ausstellungsleitungen: Sicherungs- und Reinigungspläne müssen vorhanden sein und deren Umsetzung kontrolliert werden! Eine diesbezügliche Dokumentation sollte tagesaktuell geführt werden!
 
Hier die Entscheidung im Volltext:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20151022_OGH0002_0100OB00053_15I0000_000/JJT_20151022_OGH0002_0100OB00053_15I0000_000.html
 
 
LVwG Tirol: Besichtigung einer Sehenswürdigkeit ist keine Veranstaltung
 
Eine interessante kulturtourismusrechtliche Debatte hat das Landesverwaltungsgericht Tirol eröffnet: In seinem Erkenntnis vom 17.07.2015 (LVwG-2015/20/1220-1, LVwG-2015/20/1221-1) hat das Gericht folgenden Rechtssatz aufgestellt: „Die Besichtigung einer Sehenswürdigkeit ist keine Veranstaltung iSd § 2 Abs 1 lit a TVG. Bei Veranstaltungen gemäß § 2 Abs 1 lit a TVG handelt es sich stets um inszenierte Ereignisse, welche außerdem nur in einem zeitlich begrenzten Rahmen stattfinden und eines gewissen organisatorischen Aufwandes bedürfen. Nun stellt die bloße Besichtigung einer Sehenswürdigkeit, mag diese auch nur gegen Entgelt möglich sein, kein inszeniertes Ereignis mit organisatorischem Aufwand dar und unterliegt die Besichtigung einer Sehenswürdigkeit auch keiner zeitlichen Begrenzung, da diese insbesondere wenn es sich um ein statisches Objekt handelt, stets möglich ist.“
 
Thematisch ging es dabei um die Besichtigung einer Skisprungschanze. Die anzuwendende Rechtsvorschrift war das Tiroler Kriegsopfer- und Behindertenabgabegesetz. Es stellt sich allerdings auch die Frage, ob das Besichtigen von Sehenswürdigkeiten unter den Begriff „Veranstaltung“ im Sinne des § 2 Tiroler Veranstaltungsgesetz 2003 fällt. Nach Ansicht der Behörde wäre § 2 Tiroler Veranstaltungsgesetz 2003 derart weit auszulegen, dass auch das Besichtigen von Sehenswürdigkeiten unter diesen Begriff „Veranstaltung“ fällt. Das erkennende Landesverwaltungsgericht folgte dieser Ansicht nicht, erklärte allerdings die ordentliche Revision für zulässig.
 
Hier die Entscheidung im Volltext:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Lvwg/LVWGT_TI_20150717_LVwG_2015_20_1220_1_00/LVWGT_TI_20150717_LVwG_2015_20_1220_1_00.html
 
 
Kolumne zu Rechtsproblemen bei Krampusläufen
 
Alles gut gegangen beim heurigen Krampuslauf? Oder hat es Beschwerden von Zuschauern gegeben? Bleiben Verletzungen, die Krampus-Darsteller Zuschauern zufügen, folgenlos oder werden sie strafrechtlich verfolgt?  Für die Monatszeitschrift „Journal Graz“ habe ich in der November-Ausgabe eine Kolumne zu dieser Problematik geschrieben, die bezüglich der Rechtsfolgen von Zuschauerverletzungen eine differenzierte Sichtweise bringt.
 
 
Kulturerbe-Siegel für Wiener Hofburg
 
Diese EU-Auszeichnung wird seit 2014 an einzelne, mehrere thematisch verbundene oder länderübergreifende Stätten vergeben, welche die europäische Geschichte und Einigung symbolisieren. Ziel ist es, das Zugehörigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere von jungen Menschen, zur Europäischen Union zu stärken, die kulturelle Vielfalt zu würdigen sowie das Verständnis füreinander und den interkulturellen Dialog zu fördern. Ausgezeichnet werden historische Stätten, Kulturstätten und Stätten, die für die europäische Integration von Bedeutung sind. Die Auszeichnung mit dem Siegel folgt einem mehrstufigen Auswahlverfahren. Alle zwei Jahre können die EU-Mitgliedstaaten europäische Kulturstätten für das Siegel nominieren. Die Endauswahl trifft eine EU-Jury, die formale Ernennung erfolgt durch die Europäische Kommission.
 
Hier der Beschluss Nr. 1194/2011/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Schaffung einer Maßnahme der Europäischen Union für das Europäische Kulturerbe-Siegel:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=URISERV:cu0009
 
​Die Wiener Hofburg wurde vor kurzem von der EU-Kommission ausgezeichnet. "Das baukulturelle Erbe zählt zu den wertvollsten Schätzen Österreichs und Europas. Historische Gebäude wie die Wiener Hofburg sind nicht nur identitätsstiftend, sondern auch ein zunehmend wichtiger Faktor für den Tourismus. Das neue EU-Gütesiegel wird mit dazu beitragen, diese Rolle der Hofburg zu stärken", sagt Vizekanzler und Tourismusminister Reinhold Mitterlehner zu dieser Auszeichnung.
 
Näheres in der Presseaussendung vom 4.12.2015:
http://www.bmwfw.gv.at/Presse/AktuellePresseMeldungen/Seiten/Wiener-Hofburg-erhaelt-das-Europaeische-Kulturerbe-Siegel.aspx
 
 
Kommentar zum Denkmalschutzgesetz in zweiter Auflage erschienen
 
Christoph Bazil, Reinhard Binder-Krieglstein und Nikolaus Kraft haben ihren Kommentar zum österreichischen Denkmalschutzrecht nunmehr in zweiter Auflage vorgelegt. Das im Manz-Verlag erschienene Buch (ISBN:
978-3-214-14562-0) umfasst 190 Seiten und kostet EUR 48,-.
 
Bestellung hier:
http://www.manz.at/list.html?quick=das+%C3%B6sterreichische+denkmalschutzrecht&submit=Go
 
 
Ich hoffe, diese Informationen waren für Sie nützlich. Wenn ja, informieren Sie bitte auch andere interessierte Personen und Organisationen über den kostenlosen Kulturtourismusrecht-Newsletter!
Bestellung hier:
www.freizeitrecht.at
 
 
Frohe Weihnachten und ein spannendes Kulturtourismusjahr 2016!
 
Mit lieben Grüßen
Wolfgang Stock

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